Wenn „alles richtig machen“ im Weg steht
- Charlotte zu Knyphausen
- 24. Okt.
- 2 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 31. Okt.
Neulich saß mir eine Coachee gegenüber, die mitten in ihrer beruflichen Neuorientierung steckt. Klug, engagiert, reflektiert – und nach einer schwierigen Kündigung deutlich erschöpft. Leider war das nicht das erste Mal, dass sie an diesen Punkt kam.
Während sie von ihren Plänen erzählte, blieb mir ein Satz besonders hängen:
„Ich will im nächsten Job alles richtig machen.“
Klingt vernünftig, oder? Doch hinter diesem „richtig“ verbarg sich eine vertraute Dynamik: der Wunsch, sich zu beweisen. Noch besser zu werden. Noch klarer, strukturierter, überzeugender. Perfekt zu sein.
Im Gespräch wurde mir bewusst, wie raffiniert Perfektionismus sich tarnen kann. Er trägt den Mantel der Verantwortung, der Professionalität, der Ambition. Doch oft hält er uns in einem alten Selbstbild gefangen – in dem wir erst dann „okay“ sind, wenn wir uns verbessert haben.
In der Psychologie verstehen wir Optimierung häufig als eine Überlebensstrategie: Sie hat uns vielleicht einst geholfen, Anerkennung zu bekommen oder Sicherheit zu fühlen. Aber sie führt selten zu innerer Freiheit. Denn sie ist angstgetrieben, nicht frei.
Für meine Coachee zeigte sich das darin, dass sie jede berufliche Option sofort danach beurteilte, ob sie eine „Entwicklungschance“ darstellt – statt erst einmal zu spüren, was sie wirklich möchte, unabhängig davon, wie es von außen bewertet wird.
Ein entscheidender Moment der Stille
Ich lud sie ein, einen anderen Gedanken zuzulassen:
„Vielleicht geht es gerade gar nicht darum, dich zu verbessern. Vielleicht geht es darum, dich nicht mehr gegen dich selbst zu richten.“
Es wurde still im Raum. Diese Stille hatte Gewicht – und zugleich eine neue Weite. Manchmal sind es genau solche Momente im Coaching, die etwas verändern. Weil sie liebevoll sind. Und weil sie den Raum öffnen für etwas Lebendigeres als Leistung: für Selbstmitgefühl und inneren Kontakt.
Wenn Sie sich gerade neu orientieren
Vielleicht kennen Sie dieses Muster auch: den Wunsch, die nächste Entscheidung „besser“ zu treffen, reifer, klarer, richtiger. Gerade in Phasen der Neuorientierung zeigt sich das Bedürfnis, endlich alles richtig zu machen.
Doch vielleicht ist eine andere Frage hilfreicher als „Wie werde ich besser?“
Zum Beispiel:
Was wäre, wenn es heute schon reicht, wie ich bin?
Welche Entscheidung würde ich treffen, wenn ich niemandem, auch mir selbst nicht, beweisen müsste, dass ich mich weiterentwickelt habe?
Das sind keine einfachen Fragen. Doch sie öffnen Türen, die eine krampfhafte Optimierungsleistung wohl nicht in den Blick nehmen wird.
Denn wirkliche Entwicklung beginnt selten mit dem Streben nach Perfektion, sondern mit der Erlaubnis, so zu sein, wie man ist.
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